Die Schlacht um Verdun
Forschung | Der Munitionsverbrauch der deutschen Artillerie am 21. Februar 1916 zur Eröffnung der Schlacht von Verdun
Der Munitionsverbrauch der deutschen Artillerie am 21. Februar 1916 zur Eröffnung der Schlacht von Verdun von Stephan Klink
Im folgenden Aufsatz soll zumindest anhand der Unterlagen der Versuch gemacht werden, die am 21. Februar 1916 von deutscher Artillerie verschossene Munitionsmenge zu beziffern. Dies ist in der Tat schwer zu bestimmen, da sich keine offiziellen Unterlagen darüber finden lassen. In der Standardliteratur finden wir oft eine Zahl, die sich für den Munitionsverbrauch auf deutscher Seite insgesamt für den ersten Tag der Schlacht um die 1.000.000 Geschosse dreht. Allerdings waren hier auch die Feldartillerie sowie die erst später am Tag eingesetzten Minenwerfer mit eingerechnet.
In den folgenden Erläuterungen und anhand der recherchierten Zahlen ist das allerdings eine vage und unter Umständen auch übertriebene Mengenangabe.
Aber starten wir mit dem Versuch etwas Licht in das Dunkel zu bekommen, zu einem Thema, an das sich bisher wenige Interessierte herangetraut haben. Hinweisen möchte ich noch, dass der folgende Aufsatz keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Allerdings wurde das Thema mit den möglichen Mitteln und dem Kenntnisstand der heutigen Tage erstellt. Möge der Aufsatz eine aufmerksame Leserschaft finden. Für Anmerkungen, Ergänzungen und Korrekturen bin ich selbstredend offen und freue mich über jegliche Reaktion.
In der Tat gab es in den Unterlagen meines persönlichen Archivs keinen einzigen befriedigenden Hinweis darüber, wieviel Artilleriemunition insgesamt auf deutscher Seite am 21. Februar 1916 verschossen wurde.
Es gibt lediglich in den zwischenzeitlich digitalisierten und zum Teil veröffentlichten russischen Beuteakten aus ehemals deutschen Beständen einen Hinweis auf den Verbrauch der schweren und schwersten Artillerie am 21. Februar 1916. (1) Demnach lagen für den 21. Februar für diesen Artillerietyp rund 911.000 Granaten bereit. Aufgezählt werden die Geschützkaliber 15 cm – 42 cm. Bemerkenswert ist, dass alleine für die 15-cm-Geschütze über 682.000 Schuss zur Verfügung standen. Aber auch für das schwerste Steilfeuer (42-cm) standen über 6.500 Geschosse bereit. In den verwendeten Unterlagen fehlten allerdings die Auflistung zur Bereitstellung der Geschosse für die 38-cm-Geschütze.
Verschossen wurden am 21. Februar 1916 von der deutschen schweren und schwersten Artillerie rund 75.000 Granaten, wovon allein auf die 42-cm-Geschütze rund 800 Geschosse entfielen.
Fest steht allerdings – um auch den Bogen auf die gesamte deutsche Artillerie im Abschnitt Verdun zu spannen -, dass allein für den 21. Februar 1916, und die kommenden Tage, deutscherseits rund 2.000.000 Geschoße zur Verfügung standen.
Die Artillerie-Batterien wurden für den ersten Angriffstag mit einer 6-fachen Tagesration an Granaten versehen. Das heißt, dass die normale Tagesrate für die Artillerie bei rund 340.000 Granaten für jeden weiteren Tag im Abschnitt Verdun lag.


Ich habe einzig in zwei Fundstellen die Bereitstellung von Munition für den 21. Februar 1916 gefunden.
Wilhelm Groener schrieb im Buch über seine Lebenserinnerungen: „11. Februar (1916): Unsichtig, schwankend zwischen Schnee und Regen. Die Witterung für den Artilleriekampf vor Verdun wenig günstig. Für die ersten sechs Tage sollen 2.000.000 Schuß bereitliegen, für die nächsten zwölf nochmals die gleiche Zahl.“ (2)
Das heißt, es lagen 2.000.000 Granaten für den Zeitraum 21. bis 26. Februar 1916 bereit und für den 27. Februar bis 3. März 1916 nochmals 2.000 000 Granaten.
Eine weitere Quelle war Gerd Bode und seine Materialsammlung für die deutsche Artillerie bei Verdun. Er schreibt hier sehr gut detailliert über die Bereitstellung der Munition und den anschließenden Einsatz der Artillerie, wird auch hier keine genaue Zahl der verschossenen Granaten genannt. Allerdings kann man anhand der gemachten Angaben eine ungefähr verschossene Zahl der Granaten für den 21. Februar 1916 selbst errechnen. Zitat: „Obwohl die OHL die ursprünglichen Forderungen des AOK 5 herabgesetzt hatte, wurde die Tagesrate an Munition für jedes Geschütz auf:
- 300 Schuß für Feldkanonen
- 400 Schuß für leichte Feldhaubitzen
- 180 Schuß für schwere Feldhaubitzen
- 120 Schuß Mörser
- 100 – 250 Schuß für schweres Flachfeuer (je nach Kaliber und Feuergeschwindgeit)
- 50 – 100 Schuß für schwerstes Steilfeuer
festgesetzt. Da man bei dem nur relativ schwach ausgebauten Wegenetz während der Kampfhandlungen mit Nachschubschwierigkeiten rechnete, sollten bis 31.1.1916 drei Tagesraten in den Abschnittsparks und anschließend bis 10.2.1916 (vorgesehener Angriffsbeginn 12.2.1916) weitere drei Tagesraten in den Stellungen der Batterien niedergelegt sein. Dazu mussten seit dem 12.1.1916 (auf beiden Maasufern) 213 Munitionszüge zugeführt werden.“ (3)
Für die drei auf dem Ostufer eingesetzten Korps sollten für den ersten Angriffstag 187.300 Schuss bereitliegen. Die Menge entsprach einer Tagesrate für die Artillerie. Allerdings sollten Bestände für sechs Tagesraten zur Verfügung stehen. Demnach sollten auf dem Ostufer insgesamt 1.234.000 Granaten bereit liegen. (4)
Wie viele Granaten letztendlich am ersten Tag auf deutscher Seite verschossen worden sind, ist nicht nachweisbar, man kann es nur vermuten. Die Tagesraten der einzelnen Geschütze nach Aufstellung von Bode zu berechnen, wäre eine absolute Wahrscheinlichkeitsrechnung, deren Ergebnis uns auch nicht weiter bringen würde, da er nur die bereitgestellte, aber nicht verschossene Munition nennt.
Weiter oben konnten zumindest zur schweren und schwersten Artillerie einige Zahlenangaben gemacht werden. Man muss aber auch davon ausgehen, wie schnell ein Geschütz feuern konnte – und das über Stunden. Auch hat Bode ausgerechnet, dass rund 700 Geschütze über 24 (!) Stunden rund 165.000 Granaten verschießen konnten. Das wären rund 115 Granaten pro Minute.
Da aber weit über 1.200 Geschütze (Inklusive Minenwerfer) eingesetzt wurden und sich die Feuergeschwindigkeit je nach Kaliber änderte (schwere Artillerie brauchte länger zum Laden und Schießen, Feldartillerie konnte schneller Laden und Schießen, nicht zu vergessen die Minenwerfer), wird man, so gerechnet, nie die Zahl von einer Million verschossener Granaten erreichen.
Nimmt man also die ausgerechneten 165.000 Granaten für 700 Geschütze an und verdoppelt diese Zahl, kommt man auf eine großzügig gerechnete Zahl von vielleicht maximal 400.000 verschossene Granaten für den ersten Tag.
Auch ist zu bedenken, dass bereits am 22. Februar erneut schweres deutsches Trommelfeuer einsetzte und hier erneut Unmengen von Munition verschossen wurde, die a. vorrätig sein musste und die b. auch zu den Geschützen in die Stellungen transportiert werden musste.
Ansonsten geht aus keiner der nachgelesenen Quellen hervor, wieviel Schuss tatsächlich am 21. Februar 1916 von der gesamten deutschen Artillerie verfeuert wurden. Werth, Wendt, Ziegler, Gallwitz, Groener, Falkenhayn, Ziese-Behringer, Ehrenbuch der deutschen schweren Artillerie, der Feldartillerie usw. ist nichts darüber zu finden. Ein genaueres Studium einzelner Truppengeschichten wäre unter Umständen noch eine Möglichkeit, aber ungewiss ist, ob die dort gemachten Zahlen amtlich sind und der Wahrheit letztendlich entsprechen.




Fazit: Die Zahl, der am ersten Angriffstag von der deutschen Artillerie verschossenen Granaten lässt sich nur spekulativ feststellen. Es ist wie bei den Toten der Schlacht resp. der Gesamtverluste – auch hier nur Spekulationen.
Nach meiner persönlichen Meinung konnten am ersten Angriffstag nicht mehr als rund 400.000 Granaten verschossen worden sein, schon weil mehr, technisch und logistisch gar nicht möglich war.
Um das anschaulich zu verdeutlichen nachfolgend eine kleine Rechnung:
Angeblich sollen rund 1.300 deutsche Geschütze am 21. Februar 1916 rund 1.000.000 Granaten verschossen haben. Das heißt jedes (!) Geschütz hätte an diesem Tag 769 Granate (in 24 Stunden) verschossen. Die Artillerievorbereitung dauerte rund 9 Stunden. Das heißt jedes Geschütz hätte in diesen 9 Stunden rund 288 Granaten verschossen, in der Stunde 32 Geschosse, oder alle 30 Sekunden ein Geschoss – und das über die genannte Zeitdistanz pausenlos. Das ist eine pauschale Rechnung ohne Berücksichtigung des Geschützkalibers, den unterschiedlichen Lade- und Richtzeiten (hier: schwerste und schwere Geschütze z.B. mit einer niedrigen Kadenz)
Zu bedenken ist aber auch, dass Geschütze abkühlen mussten, Bedienungen ausgetauscht werden mussten und die Munition ergänzt werden musste. Nicht mit eingeschlossen sind technische Defekte, Ladehemmungen, Richtungs- und Zielwechsel usw.
Stephan Klink, Juli 2025
(1) Akte: 20. Unterlagen der OHL zum Munitionsverbrauch der schweren Artillerie vor Verdun – Band 2.
Link: GERMAN DOCUMENTS | Akte 20. Unterlagen der OHL zum Munitionsverbrauch der schweren Artillerie vor Verdun – Bd. 2 (germandocsinrussia.org)
(2) Groener, Wilhelm: Lebenserinnerungen, Göttingen 1957 (Seite 290)
(3) Bode, Gert: Die deutsche Artillerie in der Schlacht bei Verdun 1916 (Eine Materialsammlung), Idar-Oberstein 1983 (maschinenschriftliche Manuskript, Seiten 117 und 118)
(4) Bode, Gert: Die deutsche Artillerie in der Schlacht bei Verdun 1916 (Eine Materialsammlung), Idar-Oberstein 1983 (Seiten 117 und 118)
Quellen:
Bode, Gert: Die deutsche Artillerie in der Schlacht bei Verdun 1916 (Eine Materialsammlung), Idar-Oberstein 1983
Groener, Wilhelm: Lebenserinnerungen, Göttingen 1957
OHL: Akte: 20. Unterlagen der OHL zum Munitionsverbrauch der schweren Artillerie vor Verdun – Band 2.
Bildnachweis:
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